Die legendären Rockfestivals der 70er Jahre
Die 1970er Jahre – ein Jahrzehnt, das für die Rockmusik und die Entwicklung der Festivalkultur von entscheidender Bedeutung war. Was mit dem legendären Woodstock-Festival 1969 seinen Anfang nahm, setzte sich in den 70ern mit einer Reihe von unvergesslichen Musikereignissen fort. Diese Festivals waren mehr als nur Konzerte; sie waren Ausdruck eines Lebensgefühls, Orte der Begegnung und oft auch des Protests. Sie prägten eine ganze Generation und haben die Festivallandschaft, wie wir sie heute kennen, maßgeblich geformt.
Isle of Wight Festival 1970: Das europäische Woodstock
Das Isle of Wight Festival, oft als “europäisches Woodstock” bezeichnet, erreichte 1970 seinen Höhepunkt. Mit geschätzten 600.000 bis 700.000 Besuchern übertraf es sogar das Original in den USA. Die schiere Menschenmenge, die sich auf der kleinen Insel vor der Südküste Englands versammelte, war ein überwältigender Anblick. Fähren waren rund um die Uhr im Einsatz, um die Massen zu transportieren, wie der Spiegel berichtete. Das Line-up war schlichtweg atemberaubend: Jimi Hendrix, The Who, The Doors, Joni Mitchell, Leonard Cohen, Joan Baez, Miles Davis und viele mehr. Für Jimi Hendrix war es einer seiner letzten Auftritte, bevor er wenige Wochen später starb. Ein trauriger, aber historischer Moment. Trotz des musikalischen Erfolgs war das Festival von organisatorischen Problemen und Konflikten geprägt. Linksradikale Gruppen versuchten, ein “Free Festival” zu erzwingen, und die schiere Größe der Veranstaltung führte zu logistischen Herausforderungen. Dennoch bleibt das Isle of Wight Festival 1970 ein Meilenstein, ein Symbol für die Hippie-Ära und das Ende der unbeschwerten 60er Jahre. Interessanterweise wurde 1971 ein Gesetz erlassen, das solche großen Versammlungen auf der Insel zukünftig verhinderte, wie auf Isleofwightguru nachzulesen ist.
California Jam 1974: Ein Fest der Superlative
Das California Jam Festival, das am 6. April 1974 auf dem Ontario Motor Speedway stattfand, war ein Ereignis der Superlative. Es brach Rekorde für die höchste bezahlte Besucherzahl und verfügte über die größte und leistungsstärkste Konzertbeschallungsanlage, die jemals aufgebaut worden war. Über 250.000 Fans, manche Schätzungen gehen sogar von bis zu 400.000 aus, strömten herbei, um Bands wie Deep Purple, Black Sabbath, The Eagles, Emerson, Lake & Palmer und Earth, Wind & Fire zu sehen. Mehr dazu auf Louder. Das Festival wurde von ABC gesponsert und live im Fernsehen und Radio übertragen, was seine Reichweite enorm vergrößerte. Ein Novum war der Einsatz von Schienensystemen für die Bühnenaufbauten, die einen schnellen Wechsel zwischen den Bands ermöglichten. Deep Purple, die Headliner des Festivals, sorgten für einen denkwürdigen und explosiven Abschluss. Ihr Auftritt ist legendär – nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen der “Orgy of Destruction”, die Ritchie Blackmore auf der Bühne inszenierte.
Deep Purples Orgy of Destruction
Was als reguläres Deep Purple-Konzert begann, endete in einem Akt der Zerstörung, der in die Rockgeschichte einging. Ritchie Blackmore, bekannt für seine exzentrische Art, geriet während des Songs “Space Truckin'” in Rage. Er zerschmetterte mehrere seiner Fender Stratocaster-Gitarren, attackierte eine Fernsehkamera und demolierte seine Marshall-Verstärker. Der Höhepunkt war eine gewaltige Explosion, die durch übergroße pyrotechnische Effekte ausgelöst wurde. Dabei fingen nicht nur Blackmores Haare Feuer, sondern auch Teile der Bühnenausrüstung und sogar die Haare von Schlagzeuger Ian Paice. Das Publikum war schockiert und fasziniert zugleich. Die Bilder dieses Spektakels gingen um die Welt und sind bis heute auf YouTube zu finden. Bericht auf Louder.
Fehmarn Love & Peace Festival 1970: Ein deutsches Woodstock?
Auch in Deutschland gab es den Versuch, ein Festival im Geiste von Woodstock zu veranstalten. Das Love & Peace Festival auf der Ostseeinsel Fehmarn sollte vom 4. bis 6. September 1970 stattfinden und Tausende von Hippies anlocken. Jimi Hendrix war als Headliner angekündigt, und die Erwartungen waren hoch. Doch das Festival stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Schlechtes Wetter, organisatorische Mängel und finanzielle Probleme führten zu Chaos und Enttäuschung. Viele Bands sagten ab, und die Stimmung war angespannt. Trotzdem wurde das Festival durch den Auftritt von Jimi Hendrix zu einem historischen Ereignis – es war sein letzter Festivalauftritt überhaupt. Ein Gedenkstein auf Fehmarn erinnert heute an dieses denkwürdige, wenn auch chaotische Ereignis. Mehr dazu beim NDR.
Weitere prägende Festivals der 70er
Neben den bereits genannten Großereignissen gab es in den 70er Jahren eine Vielzahl weiterer Festivals, die die Rockmusikszene prägten. Das Reading Festival in England, das 1971 begann, etablierte sich schnell als eine feste Größe. Es zog bis zu 70.000 Besucher an und bot eine breite Palette von Rock- und Metal-Bands. Auch das Glastonbury Festival, das im selben Jahr ins Leben gerufen wurde, entwickelte sich zu einem wichtigen Treffpunkt für Musikliebhaber, obwohl es in seinen Anfängen noch deutlich kleiner war als heute. Diese Festivals zeichneten sich oft durch eine friedlichere Atmosphäre aus als ihre größeren Pendants, boten aber dennoch eine Plattform für aufstrebende Bands und etablierte Größen.
Das Erbe der 70er-Jahre-Festivals
Die legendären Rockfestivals der 70er Jahre haben die Festivalkultur nachhaltig geprägt. Sie waren nicht nur musikalische Großereignisse, sondern auch soziale und kulturelle Phänomene. Sie verkörperten den Geist der Freiheit, des Protests und der Gemeinschaft. Viele der organisatorischen und sicherheitstechnischen Standards, die heute bei Festivals gelten, wurden in den 70er Jahren entwickelt – oft als Reaktion auf die Herausforderungen und Probleme, die bei diesen frühen Großveranstaltungen auftraten. Auch die Kommerzialisierung der Festivalkultur nahm in den 70er Jahren ihren Anfang, was zu Spannungen zwischen den Idealen der Gegenkultur und den wirtschaftlichen Interessen der Veranstalter führte. Die Festivals der 70er Jahre legten den Grundstein für die heutige Festival-Landschaft, von kleinen, lokalen Veranstaltungen bis hin zu riesigen, internationalen Events wie Rock am Ring oder Wacken. Sie haben gezeigt, dass Musik die Kraft hat, Menschen zu verbinden und unvergessliche Erlebnisse zu schaffen.